Aus dem Sein ist kein Sollen im moralischen Sinn begründbar

Ist das wieder diese Idee, dass wir genetisch/biologisch determiniert sind, sozusagen von Genen gesteuerte Roboter?

Natürlich nicht. Psychobiologische Verhaltensinklinationen sind ebenso änderbar, wie eine Prägung durch Erziehung (unter der Menschen bekanntlich auch leiden können) oder durch die Kultur. Letztere prägende Einflüsse sind ebensowenig determinierend, wie es Gene sind (Richard Dawkins, Der Erweiterte Phänotyp).

Wir sollen also fremdbestimmt sein, von Programmen die uns steuern, so als hätten wir keinen freien Willen?

Der Programm-Metapher, der in der Biologie gerne benutzt wurde/wird ist irreführend und sollte nicht verwendet werden. Es unterstellt Genen eine unumstößliche Macht. Jetzt, in Zeiten lernender Software und KI hingegen ist er wieder nachvollziehbarer. Der Vergleich hinkt dennoch (Richard Dawkins, Der Erweiterte Phänotyp). Über den freien Willen hingegen kann man freilich philosophieren. In gewisser Weise ist er tatsächlich eine Illusion, so der Neurobiologe Gerhard Roth. Was wir wollen ist aber nicht das Ergebnis rein psycho- oder neurobiologischer Faktoren. Nur ganz frei ist der Wille nicht.

Sollen wir uns jetzt so verhalten, wie es in der „Natur“ festgelegt ist?

Nein. Das nennt man Normativen Biologismus. Manche Biologen (z.B. Konrad Lorenz) haben so argumentiert. Was adaptiv (also angepasst) ist, könne als moral-analoges Verhalten interpretiert werden. Angepasstes Verhalten ist aber nicht per se gemeinschaftsorientiert. Deshalb sind biologische Verhaltensangepasstheiten als Normen generierende Instanzen vollkommen ungeeignet (Eckart Voland. Genese und Geltung – Das Legitimationsdilemma der Evolutionären Ethik und ein Vorschlag zu seiner Überwindung)

Sucht hier nicht wieder jemand eine Rechtfertigung für Ungleichheit, Sexismus und Rassismus?

Wissenschaft wird gerne fehlgedeutet und für die eigenen Zwecke benutzt. Von Schriftstellerinnen (William Holdings Herr der Fliegen), Filmemachern (Stanley Kubiks Odyssee im Weltraum) bis hin zu „Managern, Beratern oder Politikern in der Pose mit verschränkten Armen und zusammengepressten Lippen: Keine Scherze, ich Alpha, böse Welt“ (Richard Conniff. Ape in the Corner Office). Gesellschaftliche Entwicklungen bzw. deren Ursachen zu verstehen bedeutet nicht, diese auch zu billigen. Auch hier ist ein vielzitierter Begriff irreführend. Egoistische Gene implizieren, dass Rücksichtslosigkeit, Ausbeutung und Egoismus natürlich sei. Gene sind aber weder egoistisch, noch läßt sich aus der Natur eine Rechtfertigung für egoistisches Verhalten ableiten. Der Egoist kooperiert, könnte man darauf antworten. Menschen entwickeln Werte und geben ihrem Leben Sinn durch einen gesellschaftlichen Diskurs.

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